Ramadan und Rolex – Serviceleistungen in arabischen Ländern verkaufen

Ramadan und Rolex – Serviceleistungen in arabischen Ländern verkaufen

Internationalisierung

Um in der arabischen Welt erfolgreich im After-Sales zu sein und langfristige Geschäftsbeziehungen aufzubauen, sollten Sie sich mit den kulturellen Gepflogenheiten Ihrer zukünftigen Kunden auseinandersetzen. Ansonsten kann es schnell zu Missverständnissen kommen. – Ein Gastbeitrag von Dr. Kundri Böhmer-Bauer

Geht es um die arabische Welt, reden wir über ein Gebiet von der arabischen Halbinsel bis zu den Maghreb-Staaten in Nordafrika. Es gibt reiche Länder, wie die VAE oder Saudi Arabien, und ärmere Länder, wie Marokko oder Tunesien. Dabei haben die arabischen Länder sehr unterschiedliche Regierungsformen von Monarchie über Militärregime bis zu Demokratie.

Service Manager können in arabischen Ländern neben Muslimen auch auf Christen und Juden als Kunden und Ansprechpartner treffen, denn die arabische Welt ist nicht deckungsgleich mit der muslimischen Welt. Trotz aller Unterschiede finden sich Gemeinsamkeiten, die vor und bei Kontaktaufnahmen sowie Vertragsabschlüssen bedacht werden sollten. Die Ausführungen an dieser Stelle beziehen sich auf muslimische Araber.

Beachten Sie auch den Artikel unserer Gastautorin zum Thema Erfolgreiches Servicegeschäft in der afrikanischen Subsahara-Region.

Beziehung, Status und Hierarchie

Der Großteil der arabischen Bevölkerung ist sehr beziehungsorientiert. Man möchte mit Menschen zusammenarbeiten, die man kennt und denen man vertraut. Nicht nur für einen Vertrauensvorschuss, sondern um überhaupt einen Vorstellungstermin zu bekommen, ist es am einfachsten, sich durch einen Vermittler einführen zu lassen.

Danach sind meist weitere Treffen nötig, um sich kennenzulernen und eine stabile und möglichst langfristige Beziehung aufzubauen. In der Regel legen Araber Wert darauf, auf gleicher Ebene zu verhandeln. Das bedeutet für den Verkauf: von Entscheidungsträger zu Entscheidungsträger. Arabische Kulturen sind sehr formell, der soziale Status wird durch die Stellung der Familie, Alter und Geschlecht bestimmt. Die Verwendung offizieller Titel bei der Anrede sind ein Muss! 

Markenkleidung und wertvolle Accessoires wie Uhren, Schreibutensilien oder neueste Technik im persönlichen Equipment sollten für Service Manager selbstverständlich sein. In der arabischen Welt wird großer Wert auf Statussymbole gelegt und danach wird man eingeschätzt.

Ebenfalls aus Statusgründen sind bei Meetings oft mehr Personen anwesend als der Service Manager erwartet hat. Zusätzliche Begleiter vermitteln Prestige, Kompetenz und Stärke. Es wäre vorteilhaft, zumindest bei den ersten Treffen, mehrere Mitarbeiter oder Begleiter dabei zu haben.

Multitasking im Meeting

Wenn Verhandlungspartner während dem Meeting telefonieren oder kurz in ein anderes Büro gehen, um dort etwas zu besprechen, ist das kein Anlass zur Beunruhigung. Es ist üblich, mehrere Dinge gleichzeitig zu machen bzw. als Inhaber oder Führungsperson permanent erreichbar zu sein. Araber in hoher Position werden oft angerufen, entweder weil es etwas zu entscheiden gilt oder weil ein Familienmitglied etwas möchte. Erfahrene deutsche Manager lassen in regelmäßigen Abständen ihre Assistentin oder einen Kollegen durchklingeln, obwohl es nichts zu besprechen gibt, um beim arabischen Gesprächspartner die eigene Bedeutung zu unterstreichen.

Körperkontakt und Stimmlage

In der arabischen Welt stehen sich Männer räumlich näher als in Deutschland und berühren sich auch häufiger. Bei der Begrüßung fassen sich Männer neben dem leichten Handgeben oft noch am Arm. Wenn Männer, z. B. in den Golfstaaten, in Ägypten oder Algerien,  auf der Straße oder in der Firma Händchen halten, hat das nichts mit Homosexualität zu tun, sondern drückt Freundschaft und Verbundenheit aus.

Dass viele Araber emotionaler und tendenziell lauter sprechen als viele Deutsche, kann als aggressiv missverstanden werden. Vor allem wenn man die Sprache nicht versteht und nicht weiß, worüber gesprochen wird. Also einfach ruhig bleiben und abwarten. In Verhandlungen kann diese Emotionalität allerdings auch ganz gezielt eingesetzt werden, dazu weiter unten.

Vorsicht mit Kritik und Widerspruch

Kritik oder auch nur offenes Feedback wird von vielen Arabern als persönliche Beleidigung aufgefasst, da Person und Sache nicht getrennt werden. Um das eigene Gesicht und das des Gegenübers zu wahren, wird eher durch die Blume – also indirekt – gesprochen. Da Deutsche gewohnt sind, recht direkt zu kommunizieren, werden Botschaften zwischen den Zeilen oft nicht verstanden oder fälschlicherweise als Verschleierung oder als ein „um den heißen Brei herum reden“ gewertet.

Ein Ja vom arabischen Geschäftsmann muss kein Ja sein. Oft ist es nur ein Vielleicht, während ein Vielleicht fast immer ein Nein ist. Denn ein klares Nein wäre viel zu hart und würde die Beziehung zerstören. Das bedeutet, dass eine Frage mehrmals in anderen Worten zu stellen ist, um sicher zu sein, dass eine Zusage wirklich ernst gemeint ist. Erst ein dreimaliges Ja ist ziemlich verlässlich. Hier hängt es natürlich davon ab, wieviel Erfahrung der Wunschgeschäftspartner bereits mit Europäern hat und um was es geht. Im interkulturellen Kontext muss immer gleichermaßen Kultur, Individuum und Situation betrachtet werden.

Einstiegsthemen

Als Small-Talk-Themen eignen sich Reisen, Technik, Firmengeschichte und gemeinsame Bekannte, falls vorhanden. Ungeeignet ist Politik. Offen darüber zu sprechen, kann in manchen Ländern schnell gefährlich werden. Es kommt sehr gut an, sich nach der Familie zu erkundigen, aber es kommt gar nicht gut an, nach einzelnen weiblichen Familienmitgliedern zu fragen und auf keinen Fall nach der Ehefrau! Das ist eine Grenzüberschreitung und verletzt die Ehre des männlichen Gesprächspartners und auch der Frau, nach der gefragt wird. Ehre wird als kollektives Eigentum der Familie gesehen.

Gebetszeiten und Ramadan – Religion im Businesskontext

Die islamische Religion ist in der arabischen Welt tief verankert und beeinflusst sämtliche Lebensbereiche. Durch den fünfmaligen lauten Ruf zu den vorgeschriebenen Gebeten von den Minaretten der Moscheen wird das Landesfremden schnell deutlich. Arabische Gesprächspartner können sich also mitten im Gespräch für ca. 20 Minuten zurückziehen, um zu beten. Die Wartezeit kann man gut zum Email checken nutzen oder um sich neue Argumente für den Verkauf zu überlegen.

Wer keiner Religion angehört oder aus der Kirche ausgetreten ist, sollte es tunlichst vermeiden, darüber zu sprechen. Wenn das Gespräch darauf kommt, reicht als Antwort, dass man in einem christlich geprägten Land aufgewachsen ist. Das ist keine Lüge und ein muslimischer Gesprächspartner wird hören, was er hören möchte. Mit jemandem, der an keinen Gott glaubt, wollen viele Araber keine Geschäfte machen. Zudem sahen sich einige meiner Seminarteilnehmer, die sich als Atheisten dem muslimischen Partner gegenüber geoutet hatten (bevor sie bei mir im Seminar waren!), hartnäckigen Bekehrungsversuchen ausgesetzt.

Der Freitag ist für Geschäftsbesuche und Videokonferenzen aufgrund des gemeinsamen Freitagsgebetes nicht gut geeignet. Für gläubige männliche Muslime ist es Pflicht, für Frauen optional. Der Freitag ist aber kein Feiertag, nur in Saudi-Arabien bleiben die Geschäfte einen halben Tag zu (dort werden die Geschäfte auch täglich während der Gebetszeiten geschlossen).

Wer im Fastenmonat Ramadan Serviceverträge abschließen möchte, sollte sich darauf einstellen, dass sein Gegenüber gereizt sein kann, da von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts gegessen wird. Streng gläubige Muslime trinken auch nichts, was bedeutet, dass der deutsche Service Manager nicht vor seinem Geschäftspartner trinken sollte (und in Saudi Arabien auch nicht darf). Der Ramadan dauert normalerweise 30 Tage und wird nach dem Mondjahr gerechnet, verschiebt sich also jährlich 10 bis 11 Tage nach vorne. Zu Beginn des Ramadan Internet-Karten mit der Aufschrift „Ramadan mubarak“ (Glücklichen Ramadan) an arabische Geschäftspartner zu verschicken, kommt gut an.

See you tomorrow … in sha’a Allah – Zeitauffassungen

Auch wenn der arabische Gesprächspartner Stunden später kommen oder auch gar nicht auftauchen kann, wird von Deutschen Pünktlichkeit erwartet. Man möchte sich treffen, in sha’a Allah (so Gott will), doch nur Gott weiß, was passieren wird. Die Zeit liegt, ebenso wie das Schicksal der Menschen, sowieso in Allahs Hand. Aus dem Grund müssen Termine unbedingt mehrmals rückbestätigt werden, langfristig geplante Termine sind nicht verbindlich! Zu den Meetings sollte der Service Manager Zeit mitbringen, denn die Stimmung ist wichtiger als ein Zeitplan und so können sich Meetings ausdehnen.

Bei Verhandlungen flexibel bleiben

Wenn es nach dem Kennenlernen langsam ans Verhandeln geht, sollten Sie flexibel bleiben. Araber feilschen gerne, der erstgenannte Preis ist normalerweise nur ein Auftakt für die anschließende Diskussion. In Fällen von globaler Preistransparenz oder einem hochspezialisiertem Angebot, wird aber auch in arabischen Ländern kaum gehandelt. Wenn es zu Preisvergleichen kommt, ist es wichtig, Zusatzleistungen wie Schulungsangebote oder Folgeverträge bei der Preisgestaltung miteinzubeziehen und deutlich zu kommunizieren.

Emotionale Ausbrüche von Herzlichkeit bis zur Empörung sind bei Preisverhandlungen üblich und gehören dazu. Einfach freundlich bleiben oder als letztes Mittel den Raum verlassen und später wieder eintreten. Das wird auf arabischer Seite genauso praktiziert wie Schweigen und lange Stille. Auch bei harten Preisverhandlungen sollte man kooperativ bleiben, damit niemand das Gesicht verliert.  Sollten Verhandlungen feststecken, besteht die Möglichkeit, abermals einen Vermittler einzuschalten oder auf die Beziehungsebene zu wechseln und an einem anderen Tag weiter zu verhandeln.

Verhandlungen sind oft langwierig und können für Monate unterbrochen werden. Geht es aber um langfristige Zusammenarbeit, zahlt sich das Warten meist aus. Sollte trotz bester Mühen die Verhandlung scheitern, sollten Sie deutlich machen, dass man weiterhin in Kontakt bleiben möchte. Auf diese Weise können Sie später eventuell neue Gespräche initiieren.

Argumente für deutsche Unternehmen

Verhandelt man mit einem Unternehmer, ist das Firmeninteresse deckungsgleich mit den persönlichen Interessen des Eigentümers. Gepunktet werden kann mit Markennamen, Servicequalität, Marktführung, Verlässlichkeit, Pünktlichkeit, Referenzen, Innovation, maßgeschneiderten Lösungen sowie mit Prestige und Image der deutschen Firma bzw. Ihrer Servicetechniker. Auch Verweise auf die Tradition der Firma oder darauf, dass es sich um ein Familienunternehmen handelt, bringen Pluspunkte.

Bei staatlichen Unternehmen und Behörden müssen als Entscheidungskriterien zudem mögliche politische Motive der Person betrachtet werden. Oft geht es um eigenen Prestige- und Statusgewinn oder um persönliche Interessen, z. B. sich mit bestimmten Ergebnissen zu schmücken oder mit bestimmten Entwicklungen oder Projekten verbunden zu werden.  

Geschäftsabschluss – Ehrenwort und Handschlag

Geschäfte und Vertragsabschlüsse zwischen Arabern basieren oft auf mündlichen Zusagen und Handschlag. Das Wort hat großen Wert. Sollte der neue Geschäftspartner einen schriftlichen Vertrag als Misstrauen des Service Managers auffassen, reicht es meistens aus, auf firmeninterne Vorschriften zu verweisen.

Nach arabischem Verständnis sind Verträge nicht in Stein gemeißelt, sondern eher eine Absichtsvereinbarung. Es werden Eckdaten festgelegt um im Laufe der Zeit flexibel nachbessern zu können. Teile des Vertrags sollten deshalb „flexibel“ gestaltet werden. Sowohl die Vertragseinhaltung als auch die zeitnahe Zahlung hängen wieder stark vom Vertrauensverhältnis und der menschlichen Beziehung zueinander ab. Als Zahlungsmethode empfiehlt es sich trotz bester Beziehungen, sich durch Vorauszahlung oder Anzahlung abzusichern.

Staatliche Unternehmen legen allerdings mehr Wert auf schriftliche Fixierung als private Unternehmer. Hier ist der Aufbau persönlicher Beziehungen schwieriger, weil die Ansprechpartner wechseln können. Vertragliche Details haben somit einen höheren Stellenwert, Bürokratie nimmt einen größeren Raum ein, Entscheidungswege sind länger und durchlaufen mehrere Instanzen. Im öffentlichen Bereich sind die Verhandlungspartner auch nicht immer die Entscheidungsträger.

Und noch ein Tipp zum Schluss:

Ein interkultureller Kalender auf dem Schreibtisch ist sehr nützlich. Im Internet gibt es verschiedene Varianten zum Herunterladen. Sie zeigen auf einen Blick, wann muslimische Feiertage und Feste anderer Religionen sind, und es ist beispielsweise auf einen Blick zu sehen, wann der Ramadan beginnt und endet. Z. B. https://www.berlin.de/lb/intmig/service/interkultureller-kalender/

www.boehmer-bauer.de

Dr. Kundri Böhmer-Bauer
Dr. Kundri Böhmer-Bauer

Dr. Kundri Böhmer-Bauer ist Ethnologin, interkulturelle Trainerin und Dozentin für afrikanische und arabische Länder an der Universität der Bundeswehr München-Neubiberg sowie für interkulturelles Konfliktmanagement. Sie schult Manager und Servicetechniker interkulturell und in Bezug auf Reisesicherheit u.a. bei Einsätzen in Krisenregionen und weltweit. Sie ist Autorin des Buches: „Weltweit sicher unterwegs – Vorbeugen und Gefahren vermeiden. Reisesicherheit für Servicetechniker und alle anderen Weltreisenden.“

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