Internationalisierung

Afrika als Servicepartner für deutsche Unternehmen

Coverbild After-Sales in Afrika

Der afrikanische Markt wird auch für den deutschen Maschinenbau zunehmend an Bedeutung gewinnen. Deshalb sollten sich Unternehmen und Service Manager frühzeitig mit den Eigenarten der Geschäftskulturen auf dem Kontinent auseinandersetzen. – Ein Gastbeitrag von Dr. Kundri Boehmer-Bauer

Wie verkaufen wir mehr Serviceverträge in Afrika? Aufgrund fehlender Kenntnis der afrikanischen Kulturen ist dies für deutsche und europäische Unternehmen oft nicht leicht. Ohne persönlichen Kontakt, allein durch das Verteilen von Flyern oder ähnlichem Werbematerial sind solche Bemühungen in der Regel zum Scheitern verurteilt. Die meisten Menschen in afrikanischen Ländern sind stark beziehungsorientiert, dies wird zum Beispiel durch den südafrikanischen Begriff des Ubuntu verdeutlicht. Das bedeutet ungefähr, dass man nur in Bezug auf seine Mitmenschen selbst Mensch sein kann und gilt auch im Business-Kontext. Beim Abschluss von Verträgen aller Art möchte man wissen, mit wem man es zu tun hat. Produkt, Dienstleistung und Preis können der Beziehung nachgeordnet sein, was für sach- und faktenorientierte Deutsche schwer nachvollziehbar ist.

Um auf dem afrikanischen Kontinent erfolgreich zu sein, ist deshalb echtes Interesse am Gegenüber wichtig. Es geht nicht nur darum, Beziehungen zu knüpfen, sondern sie auch zu pflegen. Weitere wichtige Voraussetzungen für die Zusammenarbeit bzw. den Verkauf sind Zeit und Respekt. Doch wie kommt man als Service Manager ins Geschäft? Konzentrieren wir uns im Folgenden auf die Länder südlich der Sahara mit Wirtschaftsgiganten wie Nigeria und Südafrika und auf Aspekte, die trotz aller Unterschiede der Kulturen übertragbar sind bzw. als erste Anhaltspunkte dienen können. Mit den angeführten Punkten haben Sie einen ersten Anhaltspunkt dafür, wie Sie in der Subsahara-Region im Businessumfeld auftreten sollten, um erfolgreich zu sein.

Respektable Vermittler als Türöffner

Um als Unbekannter in afrikanischen Ländern einen Fuß in die Tür zu bekommen, ist es am effektivsten, eine dritte Person als Vermittler einzuschalten. Die besten Vermittler sind oft angesehene ältere Menschen, da Alter mit Erfahrung, Respekt und Vertrauenswürdigkeit gleichgesetzt wird. Vor allem wenn der Service Manager recht jung ist, bringt ein älterer Begleiter große Vorteile mit sich.

Dieser Türöffner kann zum Beispiel ein lokaler Honorarkonsul sein. Auch eine Anfrage nach einer geeigneten Person bei der örtlichen Deutschen Außenhandelskammer (AHK) hilft weiter. Vermittler beziehen für ihre Dienste natürlich ein Honorar. Optimal und am kostengünstigsten ist es, wenn bereits der Sales Manager nach abgeschlossenen Verkäufen den Service Manager ankündigt oder sich später als Vermittler einschaltet.

Termine rückbestätigen und das Entrée

Ist ein erstes Treffen angesetzt, sollte sich der deutsche Service Manager den Termin rückbestätigen lassen. Am besten mehrmals, z. B. eine Woche vorher und dann erneut einen oder zwei Tage vor dem genauen Datum. Wird nicht immer wieder nachfragt, verliert das Anliegen für den Geschäftspartner an Dringlichkeit und Wichtigkeit. Ohne Rückbestätigungen kann es vorkommen, dass ein Service Manager nach Yaoundé oder Nairobi fliegt und die gewünschte Person nicht im Lande ist. Es wäre nicht das erste Mal.

Steht der Termin, sollten Sie hochwertige bebilderte Informationsunterlagen mit sich führen, die sind sehr beliebt. Da es sein kann, dass zum Treffen mehr Personen erscheinen als ausgemacht, muss ausreichend Material griffbereit sein. Selbst wenn der afrikanische Partner zu spät kommen sollte, wird von Deutschen Pünktlichkeit erwartet, weil man weiß, dass Deutsche pünktlich sind! Ist der potenzielle Kunde im internationalen Umfeld tätig und/oder hat Auslandserfahrung, wird er (wahrscheinlich) pünktlich sein, wenn nicht, kann es Stunden dauern bis er erscheint, vor allem wenn sich die Person für wichtig hält, was zum Beispiel bei Politikern oft der Fall ist.

Eine ausgiebige Begrüßung verbunden mit persönlichem Interesse am Gegenüber ist selbstverständlich. Im frankophonen Westafrika werden Begrüßungssätze mehrmals wiederholt, was für Deutsche irritierend sein kann. Großer Wert wird auf Titel gelegt wie Excellence, Monsieur le Président, Docteur. Sollten ältere Menschen im Raum sein, sind diese zuerst zu begrüßen, um Respekt zu zeigen.

Small Talk ist keine Zeitverschwendung

Der von vielen deutschen Managern als Zeitverschwendung verpönte Small Talk bildet die Basis für das Kennenlernen und kann selbst bei Verhandlungen den größten Anteil der Kommunikation ausmachen. Gute Einstiegsthemen sind Familie, Herkunft und Fußball. Vorsicht bei Themen wie Politik, Rassismus, Kolonialzeit und Tribalismus, um nur die Wichtigsten zu nennen. Diese Punkte sind keine Small Talk Themen, sondern hochexplosiv.

Wer spricht wann?

Da Redebeiträge meist streng an Position, Geschlecht, Alter und Status geknüpft sind, muss von deutschen Managern erst decodiert werden, wer wann reden darf. Bei Besuchen im Büro vor Ort kann zwar ein jüngerer Mensch Wortführer sein, oft sind die anwesenden älteren Menschen jedoch die Entscheider. Manchmal agiert eine Person als Sprachrohr und die anderen äußern sich nicht, was kein Grund zur Beunruhigung ist.  

Geduld und zwischen den Zeilen lesen

Ein ugandisches Sprichwort sagt: „Was schnell reift, fault schnell.“ Man will von afrikanischer Seite herausfinden, ob man zusammenpasst. Ungeduld kommt gar nicht gut an, genauso wenig, wie anderen das Wort abzuschneiden, vor allem nicht einer älteren Person. Das gilt in höchstem Maße als respektlos. Hat der afrikanische Gesprächspartner das Gefühl, es geht dem Service Manager nur um Zahlen und Fakten, ist die Verkaufschance verpasst.

Was bei vielen Afrikanern nicht gut ankommt, ist ein deutscher erhobene Zeigefinger und Besserwisserei. Zuhören ist nicht nur aus Höflichkeit wichtig, sondern auch um herauszufinden, was der Kunde genau braucht. Während viele deutsche Manager für afrikanische Verhältnisse extrem direkt sind, äußern sich Menschen in Afrika nämlich eher indirekt. Aus diesem Grund sollte aufmerksam zwischen den Zeilen gelesen werden.  

Warum ein Servicevertrag?

Für Deutsche ist es wichtig, dass ein Servicevertrag die Lebenszeit der Maschine verlängert, Ausfällen vorbeugt und damit Geldeinbußen verringert. Das sind typische Argumente von Menschen, die sachorientiert und langzeitorientiert sozialisiert sind. Doch nicht jeder ist das. Auch der Zeitaspekt ist eine Herausforderung für Service Manager. Während Deutsche als zukunftsorientiert gelten, ist in afrikanischen Ländern eher das Jetzt besonders wichtig. Langfristige Planungen sind im Business-Bereich nicht selbstverständlich. Warum sollte der potenzielle Kunde also den Vertrag abschließen, wenn er in zwei Jahren vielleicht nicht mehr an der jetzigen Position sitzt? Oder wenn die Regierung so labil ist, dass niemand weiß, was in zwei Jahren los ist?

Da es in afrikanischen Ländern viel mehr um den Menschen als um die Sache geht, müssen andere Argumente benutzt werden. Was hat ihr Gegenüber persönlich davon, wenn er den Servicevertrag abschließt? Bei wem kann er damit punkten? Hier geht es darum, in Bezug auf Menschen und Beziehungen zu argumentieren, hinsichtlich des potenziellen Kunden und seines sozialen Umfeldes. Das könnte eventuell ein steigendes Image sein, wenn immer alles funktioniert, wenn Arbeitsplätze erhalten bleiben, die Unfallgefahr verringert wird oder auch Prestige aufgrund deutscher Servicetechniker vor Ort.

Verhandlungen und Vertragsabschluss

Entscheidungsfindung dauert meist länger und Drängen von europäischer Seite kommt nicht gut an, weil Drängen und Druck mit Kolonialzeiten bzw. im südlichen Afrika mit Apartheid verknüpft werden. Zustimmende Äußerungen bedeuten oft nur, dass etwas zur Kenntnis genommen wurde, sind aber noch lange keine Bestätigung. Sollte keine Entscheidung absehbar sein, muss sich der Service Manager die Frage stellen, ob sein Gesprächspartner überhaupt entscheiden darf.

Afrikanische Firmen sind streng hierarchisch aufgebaut, oft steht ein Senior mit allen Rechten und Pflichten an der Spitze, der für die Folgen von Entscheidungen, auch solche mit geringer Reichweite, die volle Verantwortung übernimmt. Aufgaben des Seniors können aus Sicht der afrikanischen Partner nicht auf junge Leute übertragen werden, da diese noch nicht die nötige Reife, Respektabilität und Weisheit haben.

Vorsicht ist geboten beim Aushandeln von Verträgen durch Regierungsmitarbeiter. Hier ist vor dem Abschluss genau zu prüfen, ob und wie der Vertragspartner Zusagen bzw. Zahlungen erfüllen kann. Was passiert, wenn er seine Stellung verliert? Wie langfristig ist ein Servicevertrag abzuschließen? Wird noch Geld da sein? Oft wird vorhandenes Geld ausgegeben, einfach weil es da ist, ohne den Zeitfaktor zu berücksichtigen.

Sind wirklich alle Faktoren berücksichtigt, wenn es zum Vertragsabschluss kommt? In etlichen afrikanischen Ländern haben wir verschiedene politische Ebenen. Grob gesprochen eine eher westlich orientierte und eine traditionelle. Möglicherweise schließt der Kunde in der Hauptstadt den Vertrag ab. Wenn die Wartung aber an einem anderen Ort erfolgt, können zusätzliche Kosten, wie regionale Gebühren für regionale Oberhäupter anfallen. Das hat nichts mit Korruption zu tun, sondern ist eher eine Art Wegegeld. Ohne die Zahlung dieser Gebühr werden später die Servicetechniker nicht einmal den Einsatzort erreichen.

Image von Deutschen und Chinesen im Vergleich

Seit Jahrzehnten sieht China Afrika als Chancenkontinent, während sich Deutsche oft auf die Defizite konzentrieren. Chinesen nutzen das große wirtschaftliche Potenzial Afrikas, während deutsche Firmen Berührungsängste haben und zu langfristig denken, anstatt nachzujustieren, falls sich die Situation ändert. Viele Afrikaner arbeiten gerne mit Chinesen zusammen, weil die Beziehungsorientierung übereinstimmt.

Ähnlich den Patronage-Netzwerken in afrikanischen Ländern gibt es in China das Guanxi-System. Es ist ein Geflecht sozialer Beziehungen, die geschäftliche und politische Handlungen über persönliche Bindungen, Gefälligkeiten und Hierarchien erleichtern. Deutsche tun sich schwer mit den genannten Punkten und/oder unterschätzen deren Bedeutung komplett.

Doch auch das Image von Deutschen ist sehr gut. Service Manager profitieren vom guten Ruf deutscher Technik. Viele Gebäude, Brücken, Kirchen und Leuchttürme aus der Kolonialzeit stehen noch, selbst die in Pappenberg gefertigte M.S. Liemba tuckert seit über 100 Jahren als größtes Schiff über den Tanganjika-See. Trumpfkarten für Service Manager sind den Deutschen zugeschriebene Attribute, wie Zuverlässigkeit, Seriösität, Fleiß, Geradlinigkeit und technische Perfektion. Das sollten Serviceexperten ruhig sehr offensiv repräsentieren.

Abschließende Tipps für Service Manager in Afrika:

  • Informieren Sie sich über das Land, in dem Sie Geschäfte machen wollen. Wo genau auf dem afrikanischen Kontinent sitzen die Wunschkunden? In den arabisch geprägten Ländern Nordafrikas oder in Subsahara-Afrika? Im frankophonen Westen oder im anglophonen Osten? Kenntnisse werden als Hochachtung und Respekt gedeutet. Viele Afrikaner wissen über Deutschland (wesentlich) mehr als Deutsche über Afrika generell und über einzelne Länder sowieso.
  • Zeigen Sie echtes Interesse an der Person ihres Gegenübers, an seiner Familie und an seinem Umfeld. Nicht nur bei den Treffen, sondern auch durch einen Anruf zwischendurch.
  • Zeigen Sie sich! Während Deutsche dazu neigen, Beruf und Privates zu trennen, gehört das in afrikanischen Ländern zusammen. Sollte der zukünftige Partner Sie zum Geburtstag seines Bruders oder zu einer Verlobung einladen, gehen Sie hin! Danach gehören Sie zum Netzwerk.
  • Zeigen Sie sich innovativ, flexibel, menschlich, vertrauenswürdig, respektvoll, das kommt gut an.

www.boehmer-bauer.de

Dr. Kundri Böhmer-Bauer
Dr. Kundri Böhmer-Bauer

Dr. Kundri Böhmer-Bauer ist Ethnologin, interkulturelle Trainerin und Dozentin für afrikanische und arabische Länder an der Universität der Bundeswehr München-Neubiberg sowie für interkulturelles Konfliktmanagement. Sie bereitet Manager auf afrikanische Länder vor und schult Servicetechniker interkulturell und in Bezug auf Reisesicherheit bei Einsätzen in Krisenregionen und weltweit.

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