Serviceleistungen in Stundeneinheiten zu verkaufen, erscheint auf den ersten Blick für beide Seiten vorteilhaft. Anbieter und Kunde vergeben damit aber auch die Chance auf effizientere Lösungen und verschwenden kostbare Techniker-Ressourcen. Wie Sie diesem Stundendilemma entkommen können…
Stunden sind die am einfachsten messbare Einheit im Servicegeschäft. Sie geben uns in der Rolle des Anbieters, aber auch in der Rolle des Kunden vor allem eines: ein Gefühl der Sicherheit. Als Anbieter übertrage ich das Risiko unvorhersehbarer Umstände weitestgehend auf meinen Kunden. Als Kunde erhalte ich ein Gefühl der Transparenz und Planbarkeit. Neben der gefühlten Sicherheit entstehen aber auch ungleiche Erwartungen.
Der Druck dieser Erwartungshaltungen lastet meist auf den Schultern der Techniker. Erledigen sie ihre Aufgabe zu schnell, müssen sie sich ihrem Arbeitgeber erklären. Arbeiten sie nicht schnell genug oder brauchen sie aufgrund unvorhersehbarer Umstände länger als geplant, gibt es Diskussionen mit dem Kunden. Ihr Ziel ist es also, die vereinbarten Leistungen in der vorhergesagten Zeit abzuschließen.
Warum dieser ineffiziente Umgang mit Techniker-Ressourcen für Anbieter und deren Kunden ein ernstzunehmendes Problem ist? Weil es speziell in Europa, immer schwieriger wird, Techniker-Nachwuchs zu finden. Die Folgen sind gravierend. Lange Wartezeiten auf Techniker-Einsätze werden schon heute zum Hemmschuh für Wachstum auf Anbieterseite und behindern den effizienten Betrieb der Maschinen und Anlagen beim Kunden. Die gute Nachricht ist, dass es Mittel und Wege gibt, um dieses Problem zu verringern.
Die Kundenintegration in den Leistungsprozess
IKEA hat es uns vorgemacht – wir freuen uns darüber, die Produkte der Schweden aus ihrem Lager zu holen, sie selbst nach Hause zu transportieren und dort aufzubauen. Wir sind damit voll integriert in die Prozesslandschaft und übernehmen Leistungen, die wir schlichtweg kostengünstiger und auch skalierbarer als IKEA ausführen können.
Natürlich ist eine Produktionsmaschine kein Billy Regal, an dem jeder bedenkenlos herumschrauben kann. Aber es gibt gewisse Leistungen, beispielsweise Wartungsbestandteile, die qualifiziertes Kundenpersonal nach entsprechender Schulung selbst durchführen kann. Auch mit der Zertifizierung und Rezertifizierung der Mitarbeiter des Kunden für solche Tätigkeiten lässt sich Geld verdienen. Es muss nicht immer zwingend die Durchführung einer Wartung durch eigenes Personal sein.
Dritte mit an Bord holen
Auch lokale Anbieter können für derartige Leistungen qualifiziert werden. Dies ist besonders bei einer niedrigen regionalen Dichte an Kunden angeraten, birgt aber das Risiko, die Betreuung dieser Kunden mittelfristig komplett an Ihre lokalen Partner zu verlieren.
Beide Strategien verschieben das Dilemma allerdings leider nur zu anderen beteiligten Parteien. Sie lösen es nicht auf. Besinnen wir uns noch einmal zurück auf das eigentliche Ziel aller Beteiligten: Das vereinbarte Ergebnis am Ende einer Serviceleistung zu erreichen. Und dafür ist in vielen Fällen ein Umdenken notwendig. Wir verkaufen keine Stunden, sondern Ergebnisse. Das Ergebnis ist messbar und somit eine echte Alternative zur Einheit “Stunden”.
Klar definierte Leistungsumfänge
Durch die Definition der inkludierten Leistungen und auch der Kundenpflichten entsteht für Anbieter und Kunden viel Klarheit. Die damit verbundene Standardisierung und ein fixer Preis für die Leistung sind anfangs ungewohnt, die Vorteile liegen aber klar auf der Hand. Das Risiko unvorhersehbarer Umstände wandert vom Kunden zum Anbieter. Dafür hat dieser durch die Standardisierung und darauf aufbauende Optimierung die Chance auf eine deutliche Reduktion der eingesetzten Ressourcen.
Standardisierung, Optimierung, Automatisierung und andere technische Hilfsmittel reduzieren Aufwand und Komplexität und damit die Fehleranfälligkeit. Dadurch wird erstmals das Umsatzwachstum vom Wachstum der Anzahl der Techniker entkoppelt. Attraktive Arbeitsbedingungen für ausführende Rollen sorgen außerdem für besseren Zugang zu neuen Arbeitskräften. Es entsteht eine Win-Win-Win Situation für Anbieter, Kunde und ausführendes technisches Personal.
Etwas langfristiger gedacht – eine reine Auslegungssache
Die mangelnde Verfügbarkeit qualifizierter Servicetechniker rückt auch eine längerfristige Option zur Reduktion des Stundendilemmas ins Rampenlicht. Werden Maschinen auf eine optimale Servicierbarkeit hin entwickelt und wird die Variantenvielfalt bewusst reduziert, sinkt der Serviceaufwand erheblich. Diese Form der Standardisierung ist die perfekte Grundlage für klar definierte Leistungsumfänge und sorgt für einen weiteren Effizienzsprung im Service.
Ein Hauch von Science-Fiction
Werfen wir abschließend noch einen Blick in eine, hoffentlich, nicht allzu ferne Zukunft. In Kombination mit Predictive Maintenance entfalten klar definierte Leistungsangebote erst ihre volle Wirkung. Stellen Sie sich vor, dass Sie dann keine Wartung(sstunden), sondern die Uptime der Maschinen verkaufen und Ihre aktiven Servicetechniker-Einsätze Wochen, vielleicht sogar Monate im Voraus planen und zeitlich optimal takten können.
Es ist vor den Einsätzen klar, welche Arbeiten genau durchgeführt werden müssen und welche Qualifikation, Werkzeuge und Ersatzteile dafür benötigt werden. Die langfristige Planung erlaubt eine Routenoptimierung, die zu einer deutlichen Reduktion der Reisezeiten der Servicetechniker führt. Gut geschulte, zertifizierte Techniker des Kunden können zusätzlich als First Level Self Support dienen und so kurzfristige Einsätze im Reparaturfall abfedern.
Der eine richtige Weg
Der Kreativität sind bei der Auflösung dieses Dilemmas keine Grenzen gesetzt. Den einen, richtigen Weg gibt es leider nicht. Durch hypothesenbasierte Experimente lernen Sie, welche Ansätze in Ihrem Umfeld fruchten. Behalten Sie das Ziel der beschriebenen Win-Win-Win Situation immer im Auge – es handelt sich um ein einzigartiges Differenzierungsmerkmal und eröffnet Ihnen ganz neue Wachstumspfade.

Georg Hofstadler
Georg Hofstadler ist Director Client Service Excellence bei Smarter Ecommerce GmbH. In den Jahren zuvor war er als Produkt bzw. Lean Manager im industriellen After-Sales-Service-Umfeld tätig. Heute beschäftigt er sich intensiv mit XaaS-Geschäftsmodellen, experimenteller Innovation auf Basis von Dienstleistungen und der Skalierbarkeit von Serviceleistungen.