Die Blockchain-Technologie im Service Management
Gefühlt spricht mittlerweile jeder von der Blockchain. Und doch zeigt sich, dass diese Technologie häufig missverstanden, überhöht und dennoch gleichzeitig unterschätzt wird. Warum ist dies von Bedeutung für den Service?
Die meisten Menschen kennen das Thema Blockchain vor allem im Zusammenhang mit der Kryptowährung Bitcoin. Jedoch ergeben sich noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten, die noch nicht sehr bekannt sind:
In der Automobilbranche soll die Blockchain das automobile Fahren sicherer machen. WalMart experimentierte mit IBM an einer Lösung, um Schweinefleisch aus China und Mangostücke aus Mexiko zu tracken, um die Lebensmittelsicherheit zu erhöhen. Der TÜV-Rheinland hofft hingegen, mithilfe der Blockchain, Tachomanipulationen unmöglich machen zu können. Das sind lediglich ein paar Beispiele für Anwendungen.
19 Prozent aller Großunternehmen ab 2.000 Mitarbeitern nutzen die Blockchain-Technologie bereits. Vorreiter ist vor allem der Bankensektor. Weitere 23 Prozent planen den Einsatz in Zukunft. Die Blockchain ist in vielfältiger Art und Weise bereits in unserem Alltag angekommen, auch wenn wir sie als Verbraucher nicht immer wahrnehmen. Die Frage für uns ist also: Kann die Blockchain auch den Service verbessern?
Was ist die Blockchain?
Die Blockchain beschreibt eine Datenstruktur für ein verteiltes System, das dank eines Konsensalgorithmus unter den teilnehmenden Knoten eines Peer-to-Peer Systems die Integrität der Transaktionshistorie gewährleistet. So die etwas abstrakte und technische Definition.
Wie der Name „Blockchain“ erahnen lässt, handelt es sich um eine Kette von Blöcken. Es ist keine Datenbank im klassischen Sinne, sondern vielmehr eine dezentrale Datenbank, quasi eine Liste, aller jemals zuvor getätigten Transaktionen, die in Form von Blöcken gespeichert sind. Jeder Teilnehmer einer Blockchain hat eine Kopie dieser Liste auf seinem Computer. Sie wird laufend aktualisiert und validiert, weshalb das Verfahren sehr sicher ist. In den jeweiligen kryptografisch gesicherten Blöcken können sich beliebige digitale Assets befinden, also Dokumente, Transaktionsaufzeichnungen, Programmcode etc.
Die Blockchain kommt durch ihre Architektur ohne eine zentrale Kontrollinstanz aus und löst ein Paradoxon: Sie schafft Vertrauen bzw. Konsens zwischen Akteuren, die sich untereinander weder kennen noch vertrauen (müssen). Speziell für Online-Transaktionen ist dies ein zentraler Game-Changer. Der Berater Axel Apfelbacher beschreibt die Blockchain deshalb als „das Kondom des Internets“, da sie „sichere Transaktionen zwischen einander Unbekannten ohne Einschaltung einer dritten Partei“ ermöglichen.
Smart Contracts, Tokens & Co.
Smart Contracts sind ein möglicher Anwendungsbereich, der auch für den Service interessant ist. Hierbei handelt es sich um computerisierte Transaktionsprotokolle, die die Vertragsbedingungen automatisiert ausführen. Dies soll Betrugsrisiken, Rechtsstreitigkeiten und Zwangsvollstreckungen sowie allgemein die Transaktionskosten auf ein Mindestmaß reduzieren.
Wesentliche Merkmale von Smart Contracts:
- ein digital prüfbares Ereignis (hier: Bezahlung der Leasingrate: wahr oder falsch),
- ein Programmcode, der das Ereignis verarbeitet (hier: Software im Bordcomputer des Autos),
- eine rechtlich relevante Handlung, die auf Grundlage des Ereignisses ausgeführt wird (hier: Betriebsbereitschaft des Pkws herstellen).
Smart Contracts können die Logik vertraglicher Regelungen, wie beispielsweise Service-Level-Agreements oder digitale Kaufverträge, technisch in einer Wenn-Dann-Logik abbilden und überprüfen, ob bestimmte vertraglich definierte Anforderungen eingetreten sind, um dann ohne menschliche Einflussnahme Handlungen auszuführen. Die Blockchain-Technologie ermöglicht es, ohne eine zentrale Validierungsinstanz auszukommen, sodass die Kombination beider Technologien ein besonderes Effizienzpotenzial entfaltet.
Grundsätzlich lassen sich sämtliche Vermögenswerte digitalisieren. Bei dieser „Tokenisierung“ entsteht ein maximales Maß an Transparenz und gleichzeitig wird der Schritt vom „Internet der Informationen“ zum „Internet der Dinge“ ermöglicht.
Pay-per-Use und Everything-as-a-Service (XaaS)
Einer der im Zusammenhang mit IoT und Finanzierung sehr häufig diskutierten Business Cases ist Pay-per-Use bzw. Everything-as-a-Service (XaaS). Dank der IoT-Sensoren ist eine vollautomatische Abrechnung möglich und dank der Blockchain kann dies medienbruchfrei verlaufen.
Bei den XaaS-Modellen trägt der Hersteller/Händler das (Investitions-)Risiko hinsichtlich Auslastung und Profitabilität der Maschine/des Leasingobjekts. Es gibt zwar auch die Möglichkeit, diese Risiken auf Versicherungen abzuwälzen, in den meisten Fällen tragen es die Händler/Hersteller aber aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen selbst und sehen es als Begleiterscheinung der Absatzfinanzierung an.
Technisch gesehen werden XaaS-Modelle mittels programmierfähigen Zahlungsströmen in Smart Contracts abgewickelt. Die Sensoren, die die Nutzung erfassen, senden als sogenannte Oracles die Nutzungsdaten in die Blockchain und mittels der Smart Contracts erfolgt automatisiert die zahlungswirksame Belastung. Es erfolgt also (im Idealfall) eine nahtlose Integration von IoT-Sensoren der Industrie und Zahlungsbelastung durch den Finanzierungspartner.
Die Blockchain ermöglicht hierbei eine nahtlose und gleichzeitig völlig transparente Integration aller Beteiligten. Dies ist auch das Ziel vieler klassischer Digitalisierungsinitiativen außerhalb der Blockchain, aber insbesondere, wenn es um die Zahlungsabwicklung geht, erfolgt regelmäßig ein Medienbruch. Dieser ist besonders sicherheitsrelevant, gleichzeitig aber auch zeitintensiv und mit manuellen Eingriffen verbunden.
Praktische Implementierung und Leitfragen
Die Blockchain ist gekommen, um zu bleiben. Es ist deshalb sinnvoll, dass Sie sich mit der Technologie befassen und eine Antwort auf die wichtigsten Fragen bereitlegen.
Eine Blockchain kann grundsätzlich immer dann von Vorteil sein, wenn mindestens eine der folgenden Fragen mit ja beantwortet wird. Wenn alle oder mehrere der nachfolgenden Fragen mit nein beantwortet werden, sind die Blockchain-Vorteile weniger relevant und eine zentralisierte Standardsoftware ist in vielen Fällen zielführender.
- Agiert Ihr Unternehmen als Intermediär zwischen Parteien bzw. arbeiten mehrere Parteien gleichzeitig mit einem Objekt (Austausch von Daten bzw. Übertragung von Vermögenswerten)?
- Besteht kein bedingungsloses Vertrauen zwischen den Parteien bzw. spielt Vertrauen in Ihrem Geschäft eine wesentliche Rolle?
- Besteht der Wunsch nach einem digitalisierten Ablauf bzw. gibt es eine gesonderte Digitalstrategie für Ihr Haus?
- Sollen/können Intermediäre im Prozess umgangen werden?
- Sind Ihre Geschäftsprozesse – zumindest teilweise – automatisiert oder sollen diese noch werden?
Weitere mögliche Anwendungsbereiche im Service
Je nach Tätigkeitsbereich, gibt es auch für das After-Sales und Service Management interessante Einsatzgebiete für Blockchain-Innovationen:
- Digitales „Serviceheft“ nicht nur fürs Auto: Transparenter Nachweis, dass stets Originalteile verwendet wurden, dass alle Service-Techniker die notwendigen Qualifikationen vorweisen etc. – und zwar über die gesamte Value Chain hinweg!
- Verknüpfung von Zusatzservices und Predictive Maintenance mit Smart Contracts und XaaS
- Vollständig digitalisierte Prozessabbildung – einschließlich Bezahlung via Kryptowährungen oder zukünftig dem E-Euro – kein gesonderter Rechnungsversand, Mahnwesen etc. mehr nötig
- Verknüpfung von Service und Verkauf von Produkten, unabhängig vom jeweiligen Käufer in Form von Tokens. Diese „Wertmarken“ sind frei übertragbar
- Sharing is Caring: Die Shared Economy könnte noch starker an Fahrt aufnehmen mit der „Vertrauensschicht“ Blockchain. Dies wiederum eröffnet zusätzliche Märkte für das Service Management!