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Robotic Process Automation in der Praxis

Coverbild RPA-Interview

Robotic Process Automation (RPA) ist eine innovative Technologie mithilfe derer auch im Service Unternehmensprozesse leichter als bisher automatisiert werden können. Dadurch könnten in Zukunft einige Tätigkeiten im Innendienst entfallen, was eine schlankere und effektivere Organisationsstruktur ermöglicht. Detlev Penven ist freiberuflicher Unternehmensberater und darauf spezialisiert, Kunden bei der Umsetzung von Strategien im Bereich RPA zu unterstützen. Mit ihm wollen wir etwas tiefer in das Thema einsteigen. – Ein Interview mit Detlev Penven.

Hallo Herr Penven, zunächst kommt man in diesen Zeiten nicht umhin, über das vorherrschende Thema zu sprechen: Wie beeinflusst die derzeitige Coronakrise Ihre Beratertätigkeit?

Die Lage ist selbstverständlich in vielen Bereichen angespannt. Ich kann mich momentan nicht beschweren. Zuvor bin ich in der Woche ungefähr 1 bis 2-Mal zum Kunden gefahren. Das geht jetzt nicht mehr und ich bin komplett im Home Office. Bei meiner Tätigkeit funktioniert das auch ganz gut. Andere Branchen haben sicherlich größere Probleme.

Wir wollen über ein Zukunftsthema sprechen. Sie helfen Kunden dabei, RPA-Vorhaben umzusetzen und zu implementieren. Wie sind Sie in diese Schiene gelangt und wer sind Ihre Kunden?

Ich bin schon lange in der IT-tätig und kam mit unterschiedlichen Feldern in Berührung. Irgendwie bin ich dann über Testautomatisierung zur RPA-Thematik gekommen. Die meisten meiner Kunden kommen heute aus dem Rechnungswesen der Firmen. Dort gibt es bereits viele standardisierte Prozesse und einen großen Bedarf, diese zu automatisieren. Ich bin aber auch im Callcenter-Bereich tätig. Auch hier gibt es eine Menge manuelle Tätigkeiten, die von Sachbearbeitern immer wieder ausgeführt werden müssen. Da bieten sich RPA-Lösungen an. Vom regionalen Stadtwerk bis hin zum großen Stahlkonzern sind viele Branchen vertreten. Da sich die Backoffice-Prozesse in den Unternehmen gleichen, ist der Einsatz von RPA in fast allen Branchen sinnvoll.

Im Servicebereich der Industrie ist das Thema auch schon länger präsent. Man sieht in der Praxis allerdings noch sehr wenige engagierte Umsetzungen. Woran könnte das liegen?

Das Problem gibt es ja nicht nur in Bezug auf RPA. Es ist nun mal am Anfang aufwändig, sich in dieses Thema einzuarbeiten und gemeinsam zwischen Fachbereich und IT eine gute Lösung zu bauen. Oft wird sich zusammengesetzt und gesagt: So sieht der Prozess aus und so soll das zukünftig funktionieren!

Der besprochene Prozess hat in der Realität aber viel mehr Freiheitsgrade und der Wille ist dann nicht vorhanden, Geld in die Hand zu nehmen, um eine Lösung reifen zu lassen. Über die entstandene halbgare Lösung regen sich wiederum die Mitarbeiter auf und das ganze Vorhaben steht unter einem ungünstigen Stern. RPA wird dann vom Fachbereich als Lösung gesehen, sich von der IT zu lösen. So viele Möglichkeiten wie RPA auch bietet, für die Umsetzung braucht es das nötige Fachwissen und auch eine gewisse Investitionsbereitschaft. 

Was sind aus Ihrer Sicht die größten Hürden und Schwierigkeiten bei der Umsetzung in den Unternehmen? 

Unter anderem ist der fehlende agile Modus in vielen Unternehmen ein großes Problem. RPA bietet sich dafür an, kurzzyklische, schnelle Anpassungen in der Automatisierung vorzunehmen, um iterativ eine passende Lösung zu entwickeln. Viele Unternehmen sind für solche Vorgehensweisen projektseitig nicht aufgestellt und sind es gewohnt, große, langläufige Entwicklungsprojekte zu betreuen. Für RPA-Vorhaben sind agile Ansätze meist zielführender.

Es gibt aber teilweise auch andere Schwierigkeiten. Viele IT-Mitarbeiter betrachten das Thema argwöhnisch und nehmen RPA nicht als wirkliche Option wahr. RPA erscheint ihnen als zu kurz gedacht, um sie wirklich zu reizen. Tatsächlich ist es zunächst auch relativ unkompliziert, einen Prozess mit RPA zu automatisieren. Sie gehen den Prozess einmal komplett durch, programmieren Ihren Roboter und dieser liest Ihnen dann zum Beispiel die gewünschten Excel-Sheets aus und gibt die Informationen in einer Maske ein. Kniffliger wird es in der Regel erst in einer Fehlersituation. Was passiert dann? Bricht der Roboter die Verarbeitung einfach ab? Speichert er den aktuellen Stand und informiert einen Mitarbeiter?

Hier wird dann schnell relativ viel Prozess- und IT-Know-how benötigt. Das bekommt der Fachbereich in der Regel nicht mehr allein hin und steht dann vor einem Scherbenhaufen. Man hofft auf Seiten des Fachbereiches, dass man sich mit RPA etwas unabhängiger von der IT-Abteilung machen kann. Das gelingt in den allermeisten Fällen aber nicht nachhaltig und die IT ist verständlicherweise nicht begeistert, wenn sie erst hinzugezogen wird, wenn es eigentlich schon zu spät ist.

Handlungsempfehlungen zum Thema Automatisierung im Service haben wir bereits an anderer Stelle gegeben. Was sind die richtigen Hebel, um Vorhaben umzusetzen? In welchen Bereichen lohnt sich Automatisierung überhaupt?

Wir haben jetzt vor allem drei hauptsächliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung von RPA herausgehört: Erstens, ist der fehlende agile Modus in Unternehmen häufig ein Problem. Zweitens, müssen sowohl IT als auch Fachbereich sinnvoll mit eingespannt werden und drittens, wird das Vorhaben von den Verantwortlichen häufig unterschätzt. Haben wir das so richtig verstanden?

Ja, aber ein zusätzliches Problem gibt es noch: Oft passiert es, dass Sachbearbeiter aus dem Fachbereich den Prozess nicht vollständig abstrahieren und umfassend beschreiben können. Bei der Implementierung stoße ich dann auf Varianzen, die das Team gar nicht mehr wahrnimmt . Jedes RPA-Team sollte jemanden haben, der den zu automatisierenden Prozess nicht nur abarbeiten, sondern von A bis Z richtig und vollständig beschreiben und dokumentieren kann. Wenn sich hier keiner im Voraus Gedanken macht, bekommt man bei der späteren Umsetzung Probleme. Und das ist nur bedingt eine Aufgabe, die ich als Implementierer ohne weiteres übernehmen kann. Das Prozess-Know-how muss der Kunde einbringen.

Wie schätzen Sie den Wissenstand zu RPA bei den Unternehmen ein? Herrscht noch Aufklärungsbedarf?  

Häufig gibt es hier sehr unrealistische Vorstellungen von RPA. Die Wahrnehmung ist auch stark von den Versprechungen der Lösungsanbieter geprägt. Da können Sie angeblich mithilfe von RPA Ihren gesamten Innendienst automatisieren. Und alles ist total einfach, schnell und kostengünstig umzusetzen. Das sehe ich nicht!

RPA bietet viele Vorteile im Bereich der Automatisierung. Aber es eignen sich hierfür nur bestimmte Prozesse. Solche, die sehr regelbasiert und somit vom Roboter einfach zu lösen sind. Außerdem sollten die Prozesse eine hohe Wiederholungsrate aufweisen, ansonsten sind die Investitionen in Ihr RPA-Projekt oft verschwendet und der ROI lässt lange auf sich warten. Probleme bekommen Sie auch bei allem was Heuristik beinhaltet. Dort wo menschliche Interaktionen unersetzbar sind und komplexe Entscheidungsmuster entstehen. Sprich: Wenn das Regelset zu komplex wird. Sehr volatile Prozessumgebungen sind aus genannten Gründen auch nicht ratsam für RPA-Ansätze.

Wie nähert man sich der Umsetzung von RPA-Vorhaben dann am besten an?

RPA kann keine endgültige Lösung sein, langfristig muss es eine integrierte Lösung geben. Kurzfristig kann RPA aber den Leidens- und Umsetzungsdruck von den Fachbereichen und der IT nehmen.

Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Einerseits können Sie von Anfang an die komplette RPA-Umgebung und das notwendige Know-how direkt umfassend intern aufbauen und sich lediglich punktuell bei der Prozessimplementierung von Externen unterstützen lassen. Das ist der Weg, den ich derzeit bei dem Aufbau eines Kompetenzzentrums für einen Kunden betreue.

Andererseits können Sie unter Umständen auch zunächst mal klein starten. Picken Sie sich einen arbeitsintensiven, hoch repetitiven Prozess heraus und starten Sie einen Piloten. Man kann beispielsweise zunächst einen gewissen Anteil an weniger komplexen Fällen vom Roboter automatisiert abarbeiten lassen und der Rest wird wieder wie gehabt von einem Ihrer Sachbearbeiter bearbeitet, der sich den Vorgang genauer anschaut. Oft hilft einem bereits diese 50- bis 60-Prozent-Lösung für diesen Prozess enorm weiter.

Im Anschluss schaut sich der Fachbereich die restlichen Fälle genauer an und findet nach und nach auch hierfür Lösungen. So können Sie dann im Laufe einiger Wochen daraus eine 95-prozentige Lösung machen. Und dann nehmen Sie sich den nächsten Prozess vor. Allerdings ist auch hier nach Pareto jedes Prozent mehr an Automatisierung teurer als das vorherige, hier muss sich dann eine gesunde Balance einstellen.

Was sind die Nachteile, wenn ich das Thema Schritt für Schritt angehe?  

Wenn Sie sich mit etwas Unterstützung selbst eine Lösung aufbauen wollen, müssen Sie auch bereit sein, zwischendurch eventuell Ihre gesamte Arbeit wegzuwerfen und von vorne anzufangen. Oft geraten Sie bei der Entwicklung an einen Punkt, wo Sie vielleicht nur eine kleine Zusatzanforderung an die Automatisierung haben und dennoch ist es schwieriger, den Roboter dahingehend weiterzuentwickeln, als mit den gewonnenen fachlichen und technologischen Kenntnissen neu zu starten. Das ist vor Kunden leider schwierig zu verargumentieren. Der Roboter ist fertig entwickelt und für die Umsetzung dieser neuen Fachanforderung oder der Behebung bestimmter Fehler, brauchen Sie dann nochmals ein paar Entwicklertage.

Häufig wollen die Entscheider dann nicht mitspielen und man lebt mit der minderwertigen Lösung, bis diese nicht mehr tragbar ist und an anderen Stellen mehr Aufwand produziert. Grundsätzlich ist es aber schon möglich, mit 5 bis 10 Personentagen eines Experten einen ersten Piloten zu starten, der Sie bei Ihrer Arbeit bereits deutlich entlastet. Auf dieser Grundlage kann dann weiter aufgebaut werden.

Ist die Technologie denn bereits ausgereift oder können wir hier in Zukunft noch weitere Entwicklungen beobachten?   

Ich schätze, dass derzeit rund 75% aller Applikationen mit RPA automatisiert werden können. Dieser Anteil wird sich mit der Zeit erhöhen. Es gibt einfache Applikationen, die der Roboter sehr leicht bedienen kann. Bei anderen sitzt er noch wie vor einer Glasscheibe.

Außerdem bietet der Bereich Künstliche Intelligenz noch viel Entwicklungspotenzial. Das betrifft aber nicht die Prozessautomatisierung als solches. Den Prozess müssen Sie weiterhin auf altbewährte Weise durcharbeiten. Die KI-Technologie macht Ihren Roboter aber leistungsfähiger, wodurch er komplexere Prozesse mit heuristischen Entscheidungsbäumen bewältigen kann.

Letztendlich kann man an die Roboter alle möglichen Features anbinden, seien es OCR, KI, Natural Language Processing oder Machine Learning Features. Die eigentliche RPA Automatisierung bleibt aber immer die gleiche. Die Hersteller wetteifern hier gerade mit Begriffen wie Hyperautomation, Intelligent Process Automation oder Cognitive Process Automation.

Vielen Dank für das Gespräch!

Portraitbild Detlev Penven

Detlev Penven

Unternehmensberater und spezialisiert auf die Implementierung von RPA-Technologie

Selbstständig, Köln

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